Es gibt nur farbige Menschen
Es wäre ganz einfach, wenn alle Menschen auf die gleiche Weise auf dieselben Dinge reagieren würden. Einfach und langweilig. Das Spannende an einer Tätigkeit im Umgang mit Teams oder Kunden ist die Vielfalt von Persönlichkeiten, mit denen wir es zu tun haben. Vor etwa fünfundzwanzig Jahren habe ich das Konstrukt ‚Tiefenmotivation‘ entwickelt, das wir heute die TwentyFive Methode nennen. Es geht davon aus, dass sechs verschiedene Grundbedürfnisse unsere Entscheidungen prägen. Sie sind gegensätzlicher Natur. Das muss sein. Konflikte sind die Basis des Lebens. Sie erlauben die Selbststeuerung. Wer sich durchsetzen will (rot), strebt nach oben. Ungebremst und mit aller Macht der Welt würde er die Erde für alle Zeiten verlassen. Dagegen wendet sich das Sicherheitsbedürfnis (grün). Es will, dass wir fest verankert mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben. Es soll uns weder körperlich noch seelisch oder geistig ein Leid geschehen. Wir streben nach Anerkennung (blau), entfernen uns von den anderen, damit sie uns aus angemessener Distanz als eigenständige Menschen wahrnehmen. Anderseits zwingt uns das Zugehörigkeitsbedürfnis (gelb) zur Nähe und zur Anpassung, denn es ist lebenswichtig, ein Teil der Familie zu sein. Wir müssen uns orientieren. Ohne die wichtigsten Strukturen rational zu erkennen (schwarz), würden wir uns verirren und verrückt werden. Doch alles, was wir machen oder unterlassen, hat Konsequenzen für uns und unsere Mitmenschen. Wir müssen uns in mögliche Wirkungen einfühlen (weiß). Das Spannende im Umgang mit uns selbst ist diese Vielfarbigkeit, die sich in den Gefühlen ausdrückt. Sie machen Angst, wenn wir glauben, dass eines dieser Grundbedürfnisse gefährdet ist. Und sie machen Lust, wenn wir den Hunger nach Durchsetzung oder Sicherheit, nach Anerkennung oder Zugehörigkeit, nach Erkenntnis oder Empathie stillen können. Es sind Gegensätze. Sie lassen uns nach einer inneren Balance streben. Und auf diese Weise funktioniert die Selbststeuerung. Sie will einseitige Handlungen, die nur einer Farbe dienen, verhindern. Sie strebt nach Zufriedenheit, dem Frieden zwischen diesen Farben. Innere Ausgeglichenheit oder auch Tiefenentspannung sind das Ziel. Auf dem Weg dahin führen auch die Ideen vom Person-Job-Fit oder der Work-Life-Balance. Natürlich sind sie realisierbar, wenn wir unsere inneren Gegensätze verstehen, akzeptieren und auf unsere Gefühle achten.
Kinder-Menschen Viele Menschen haben in ihrer Kindheit, als es ihnen nicht möglich war, sich selbst zu versorgen, etwas Falsches gelernt. Es bildete sich, wie Freud es nannte, ein Über-Ich, das uns sagt, wie wir denken und fühlen müssen. Sei brav und mache, was dir gesagt wird. Wenn du böse bist, gehörst du nicht mehr zu uns. Wie sollten wir ohne die großen Bestimmer unseres Lebens überleben? In uns toben die Ängste. Wir versuchen sie zu verdrängen, denn unser kleines, schwaches Ich steht den Gefühlen ohnmächtig gegenüber. Die Top-Dogs, die Repräsentanten der Mächtigen, sind bissig, wenn wir uns nicht anpassen. Aber wenn wir uns unterwerfen, kläffen die Under-Dogs, die Vertreter unserer Triebkräfte, dagegen an. Sie entfachen eine Wut, wenn wir uns selbst verraten. Wir begehren auf, werden trotzig, schlagen um uns, greifen fremde Menschen an. Blind vor Wut übersehen wir, dass es ‚nur‘ um uns selbst geht, um unsere eigenen Farben, die wir zum Leben brauchen. Es herrscht Krieg zwischen dem ‚Es‘ und dem ‚Über-Ich‘. Ein Krieg, den wir häufig nach außen tragen. Irgendwann: Der Klügere gibt nach. Wir sind ordentlich, besuchen die Schule, erlernen einen Beruf, studieren, finden einen Job und machen, was uns gesagt wird. Anständige Menschen, nette Partner, alle mit der Hoffnung, dass sich dieses Nachgeben später als klug erweisen wird. Nein. Das ist kein innerer Friede. Unsere farbigen Triebkräfte bleiben aktiv, auch wenn wir die Augen verschließen. In unserem Unbewussten wirken sie als Partisanen. Sie vergiften unser Denken oder Fühlen, treiben uns in den Burn-Out oder machen uns zu Feinden anderer Menschen.
Erwachsen werden Selbsterkenntnis ist der erste Schritt. Die Metapher der sechs Farben des Lebens, kurz beschrieben in einem kleinen Buch, kann dabei helfen, die simplen Wahrheiten zu verstehen. Die Tiefenmotivation wird unsere Gefühle und Erfahrungen nicht ändern. Es braucht eine Entscheidung. Will ich als erwachsener Mensch für meine eigenen Bedürfnisse sorgen und die Verantwortung dafür übernehmen, dass meine rote und grüne, meine blaue und gelbe, meine schwarze und weiße Seite tagtäglich genügend Nahrung bekommen? Falls nein, bleiben wir Kinder-Menschen und leiden weiter oder lassen andere leiden. Falls ja, gehen wir achtsam mit uns und unseren Mitmenschen um. Da wir selbst für uns sorgen, ist es an der Zeit, ein eigenständiges und starkes Ich zu entwickeln. Und damit sind wir bei der Frage: Was brauche ich wirklich in meinem Leben? Die Antworten darauf sind vielfarbig. Es gibt immer ein sowohl als auch. Also sorge ich als erwachsener Mensch dafür, meine sechs Farben gut zu versorgen. Wie viel Nahrung ich von welcher Art brauche, bestimmt meine Persönlichkeit. Als Innovator brauche ich die Freiheit, etwas Neues zu gestalten, und die Ruhe, um die Dinge gründlich zu untersuchen. Wenn du ein Verwalter bist, wirst du eher Regelmäßigkeit und Nachhaltigkeit genießen wollen. Wir beide können uns zusammensetzen und die Menükarten der Arbeits-, Partnerschaft- und Freizeitangebote studieren. In unserer Zeit und unserer Region wird für jede Farbe so viel geboten, dass genug übrigbleibt, um unsere Freunde und Familien mitzuversorgen. Nachdem wir beide erwachsen und satt geworden sind, verschenken wir Freiheit an die roten Bedürfnisse, Gemeinsamkeit an die gelben, Zuverlässigkeit an die grünen, Wertschätzung an die blauen, Sinnhaftigkeit an die schwarzen und Warmherzigkeit an die weißen Seelenanteile. All das gibt es kostenlos und es ist überall dort erhältlich, wo sich erwachsene Menschen begegnen.
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