Wie kann man nur so verrückt sein?
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Viele haben gedacht, dass sein Verstand ihm sagen wird, dass er mit dem Krieg gegen die Ukraine nichts gewinnen und alles verlieren wird, was ihm je wichtig gewesen ist. Auch ich habe die Kraft seiner Emotionen unterschätzt. Sie haben sein Denken und sein Mitgefühl überrollt und machen es immer noch. Solange dieser Zustand anhält, ist er nicht denkfähig, sondern einfach verrückt. Wir spüren, dass es auch in unserem Unbewussten nicht nett zugeht. Dort herrschen mächtige Krieger, wie sie in den Göttersagen beschrieben wurden. Wir brauchen Träume, um es nicht eskalieren zu lassen, damit ‚es‘ uns nicht zerreißt oder wir überrollt werden. Besser wäre es zu wissen, um was es geht, dann können wir ein inneres Team aus Traumgestalten zusammenbringen und die Moderation übernehmen. Das ist ein einfach zu lernendes Konfliktmanagement.
Unsere Emotionen ziehen uns immer in zwei gegensätzliche Richtungen. Beide sind von existenzieller Bedeutung. Kurz: Es geht um Leben und Tod. Einerseits müssen wir fest verankert sein, um nicht ins Unendliche fortgeschwemmt zu werden. Andererseits: Wenn wir in der sicheren Höhle bleiben, werden wir verhungern. Einerseits müssen wir auf uns aufmerksam machen. Wir schreien oder machen dummes Zeug, damit wir wahrgenommen werden. Andererseits wollen wir dazugehören und uns anpassen, denn wenn wir allein sind, sterben wir einen einsamen Tod. Einerseits müssen wir rational die Wege und Ziele erkennen, um uns nicht zu verirren. Wir denken logisch und sind cool. Andererseits lassen sich die emotionalen Reaktionen unserer Mitmenschen nicht berechnen. Wir brauchen Warmherzigkeit und Einfühlungsvermögen.
Bis wir bei diesen gegensätzlichen Kriegern in den Tiefen unserer Seele für Frieden gesorgt haben, sind wir unzufrieden, fühlen uns hin- und hergerissen, fragen höhere Wesen, was wir tun sollen, hoffen auf bessere Zeiten, betäuben unsere Selbstwahrnehmung mit Drogen oder Arbeitseifer, suchen Schuldige für unser Leid oder übertragen unsere Konflikte auf unsere Umwelt. Das ist verrückt, weil wir einen Teil unserer Innenwelt in die Außenwelt verrücken. Statt den Kampf zwischen Freiheitsliebe und Machtstreben in mir auszuhalten, um zu Lösungen zu kommen, die für mich und meine Mitmenschen gut sind, reduziere ich mich auf die Machtposition und verurteile alles Freiheitsliebende als anarchisch, chaotisch, träumerisch, wirklichkeitsfremd oder, wenn die Emotionen stärker werden, bezeichne ich die freien Andersdenkenden als Ungläubige, die wir im Namen irgendeiner Identität, Rasse oder irgendeines Gottes zu bekämpfen haben. Da meine Machtseite Ordnung, Gesetze und Pflichten braucht, sehe ich es als meine heilige Pflicht an, alle Gegner zu zerstören. Entweder sie ordnen sich uns unter oder sie müssen sterben.
Für den inneren und in der Folge dann für den äußeren Frieden geht es darum, diese sechs lebensnotwendigen Kräfte kennenzulernen und zu akzeptieren. Ja, jede Seite in uns will ganz einfach, dass wir leben. Aus gutem Grund. Ohne das Machtprinzip wären wir ohnmächtig dem ausgeliefert, was im Leben so geschieht, falls die Umstände uns überleben lassen. Und ohne Freiheit wären wir wie ordentlich funktionierende Maschinen, also auch tot. Beide Seiten zusammen finden ein demokratisches Regelwerk, das sowohl die Selbstbestimmung als auch die Verlässlichkeit fördert. Lieber Herr Putin, es ist doch so einfach.
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