Work-Life-Diversity
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Vor etwa zweihundertzwanzig Jahren schrieb Goethe: „Trinke Mut des reinen Lebens! | Dann verstehst du die Belehrung, | Kommst, mit ängstlicher Beschwörung, | Nicht zurück an diesen Ort. | Grabe hier nicht mehr vergebens. | Tages Arbeit! Abends Gäste! | Saure Wochen! Frohe Feste! | Sei dein künftig Zauberwort." (Der Schatzgräber)
Nun war es seinem Schatzgräber bis zum letzten Vers der Ballade nicht gelungen, zumindest diese grobe Work-Life-Balance zu erreichen. Dessen Burn-Out „Arm am Beutel, krank am Herzen“ hat ihn zum nächtlichen Buddeln geführt. Es ist fraglich, ob er den Appell verstanden hat, den Mut des reinen Lebens zu trinken.
Seit damals haben sich die Seelen der Menschen kaum verändert. Die Verwirklichung der Idee, Arbeit und Leben ausgeglichen zu gestalten, setzt voraus, dass wir den Mut zum ‚reinen Leben‘ haben und die Verantwortung für das eigene Glück übernehmen, statt auf Schätze zu warten, die wir nicht finden werden und die uns nicht finden. Welche Ängste aber sind es, die unsere Herzen krankmachen und uns bis zur Erschöpfung antreiben, etwas zu tun, dass wir als fremdbestimmt erleben?
Je nach Persönlichkeit wirken diese Ängste am stärksten: vor dem Steckenbleiben (Unfreiheit), dem Ausgeschlossen werden (Kündigung), den schnellen Veränderungen (Gefahren), der Verachtung (Kränkungen), der Kälte (mangelndes Mitgefühl) und dem Nichtwissen (im Dunkeln stehen). Die Quellen der Ängste finden wir in den Erfahrungen, viele schon im Elternhaus und in der Schule. Die Lust auf Leistungen und den Spaß an der Arbeit haben wir uns selbst ausgetrieben, weil wir gefragt haben: Was muss ich machen oder wie muss ich sein, damit ich mit dem versorgt werde, was ich zum Leben brauche?
Beim Work-Life-Balance geht es um mehr als dem Ausgleich zwischen Arbeits- und Privatleben: Es geht um die Wahl zwischen dem Angst- und dem Lustprinzip. Es ist egal, ob ich zuhause ein Hobby pflege oder tagsüber die unerledigten Dinge abarbeite, ob ich mich privat mit Freunden treffen oder dienstlich an Meetings teilnehme. Solange es mit meiner Tiefenmotivation übereinstimmt, ist es etwas, das mein Leben bereichert.
In unseren Teams bieten wir für die existenziellen Grundbedürfnisse die gesamte Palette. Durchsetzung: etwas voranbringen; Zugehörigkeit: Integrations- und Kommunikationsaufgaben; Sicherheit: Administration und Controlling; Anerkennung: Qualität und Prüfung; Erkenntnis: Recherchen und Logistik; Empathie: Beziehungspflege und -entwicklung. Aber, wir Menschen unterscheiden uns, deshalb kommt es auf die richtige Zuordnung an. Damit sind wir beim Person-Job-Fit. Wir können die Teammitglieder fragen, wer worauf am meisten Lust hat, oder die Motivationsanalysen nutzen. Das Gleiche machen wir für die Aufgaben, die wir untereinander unseren Vorlieben gerecht verteilen.
Am Ende haben wir ein Bild, das die Diversität beschreibt. Je mehr sich Persönlichkeit und Aufgaben entsprechen, desto weniger muss auf das Privatleben verschoben werden. Wir haben keine sauren Wochen mehr, dürfen aber frohe Feste feiern, wann immer wir es wollen. Genießen wir beides: die beruflichen und die privaten Herausforderungen.
Das Buch ‚Die Mühle‘ beschreibt als Beispiel für die Umsetzung der Work-Life-Diversity vier unterschiedliche Teams und vor allem die einzelnen Teammitglieder mit ihren unterschiedlichen Persönlichkeiten. Ihr gemeinsamer Bezug ist die Mühle in Scheeßel. Diese dient ebenfalls als Metapher für die Entwicklung von Teams.
Die Energie: Wir lernen uns kennen. Unterschiedliche Erfahrungen und gegensätzliche Bedürfnisse werden deutlich. Kommt es zu Konflikten oder wird es gelingen, unsere Energien zu bündeln? Gibt es eine ‚Wir-Identität‘, in der sich jeder gerne einbringt?
Der Fluss: Unser gemeinsames Projekt beginnt zu fließen. Alles beginnt mit der Erkenntnis, dass es gut ist, dass wir uns unterscheiden. Der Bauer braucht den Müller, wenn seine Arbeit einen Sinn haben soll. Und der Müller braucht den Bäcker, damit es weiterfließt. Wie kommen wir zu diesem ‚Flow‘?
Die Produktion: Wie die Räder in einer Mühle sind unsere Aufgaben untereinander verzahnt. Passt es zu dir und zu mir? Wie schaffen wir es, die Kräfte zu synchronisieren? Wer übernimmt welche Jobs, hat dafür die beste Motivation und Erfahrung? Person-Job-Fit im Team verteilt die Rollen im Team.
Der Handel: Durch die gemeinsame Arbeit unterschiedlicher Charaktere an einer Aufgabe entstehen neue Kompetenzen. Damit wachsen die Bedeutung des Teams als Ganzes und seine Akzeptanz durch die Kunden. Sie bekommen das frisch duftende Brot, das wir nur gemeinsam herstellen konnten.
Der Profit: Die innere Zufriedenheit im Team und in uns selbst ist wenig vom Geldwert geprägt. Wir sprechen von intrinsischer Motivation, von den gegensätzlichen Bedürfnisse und von der Ganzheitlichkeit als emotionale Erfahrung. Am Ende zählt das, was jeden einzelnen von uns in aller Tiefe befriedigt.
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